Freitag, 7. Oktober 2011

Wenn Tänzer Improtheater spielen

Bei der Vielfalt der Berliner Kunst- und Kulturangebote frage ich mich manchmal: Was ist eigentlich Kunst? Oder: Wo fängt Kunst an und wo hebt sie sich von Spielerei, Dilettantismus und Handwerk ab? Darf man einem selbsternannten Künstler den Kunstanspruch absprechen? Und was hat es mit dem Satz auf sich: Was der kann, kann ich auch?

Hier spielt eine gewisse Erwartungshaltung an den Künstler eine Rolle. Er soll sich über das Können der Allgemeinheit erheben, soll sein Handwerk beherrschen und das Publikum mit seiner Genialität ansprechen und überzeugen. Darüber hinaus sollte der Künstler eine Idee mit Hilfe seiner Kunst vermitteln. Dies kann er gern verspielt oder auch mit großer Ernsthaftigkeit verwirklichen. In Mitteln und Wegen ist er frei, solange er die gewählten Mittel und Wege kennt und beherrscht. Bei der Vielfalt der heutigen Kunstformen soll mir diese grobe Definition über Handwerk und Ideenvermittlung erst einmal genügen.

Nicht genügt hat mir eine Vorstellung in der Tanzfabrik, die im Rahmen des Herbstfestivals von Peter Stamer, Sybrig Dokter und Frank Willens aufgeführt wurde. Angekündigt wurde das Stück Unseen als Videoperformance. Tatsächlich spielten die drei Schauspieler/Tänzer in einem kleinen Raum zwischen dem wie zufällig dastehenden Publikum ohne mediale Aufbereitung ein sich immer wiederholendes Muster wie es im Improtheater als eine Spielfrequenz möglich wäre.

Die Spielanleitung war denkbar einfach. Die Schauspieler sprachen abwechselnd Worte oder Sätze, in denen sie zunächst den Ort festlegten, um dann eine Person und eine Handlung zu entwickeln. Nach dem Nennen der Handlung wurde diese von allen Schauspielern ausgeführt. Das Publikum sah also die jeweiligen Geschichten in dreifacher Variation. Nach 5-10 minütiger Spieldauer wurde abgebrochen und der Spaß begann von Neuem. Die Geschichten standen in keinerlei Beziehung. Es gab keinen Spannungsbogen.

Mir war langweilig. Ich war in ein Tanztheater gegangen und bekam schlechtes Improtheater serviert. Ich wollte mich frontal bespaßen lassen, stattdessen musste ich auf einem staubigen Bühnenboden sitzen und mir das Geschehen aus nächster Nähe anschauen.

Das Publikum wurde nicht zum Mitspielen animiert und bestenfalls als Requisite verwendet. So wickelte sich ein Schauspieler um mein linkes Bein herum. In freier Wildbahn hätte ich mich sehr wahrscheinlich gewehrt, aber im Theater gelten dann doch andere Regeln. Vielen Zuschauern ging der Körperkontakt zu weit und sie flüchteten innerhalb des Bühnenraums vor den Schauspielern.

Die Idee des Stückes, die Message blieb mir bei dieser Performance unklar. Der Spielaufbau war ganz typisch für eine Aufwärmübung im Improtheater. Doch als ausschließlicher Programmpunkt eines ganzen Stücks trug er nicht. Darüber hinaus erwarte ich von Tänzern Tanz. Dazu gehört eine gewisse Körperspannung, eine gewisse Artistik und vor allem eine Eindeutigkeit in den Bewegungen. Das hat mir alles gefehlt. Mir fehlte die Kunst.

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